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Passwortpsychologie: Warum wir schlechte Passwörter wählen – und wie man es besser macht

abc-der-IT 7. Nov. 2021

Die Lücke zwischen Sicherheitswissen und Verhalten

Laut einer Umfrage des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verwenden 60 % der Deutschen unsichere Passwörter wie „123456“ oder ihren Geburtstag – obwohl 89 % angeben, IT-Sicherheit für „wichtig“ zu halten. Dieser Widerspruch zwischen Bewusstsein und Handlung liegt in der menschlichen Psychologie begründet: Bequemlichkeit und Gewohnheit besiegen oft rationales Wissen.


Psychologische Faktoren: Warum wir uns selbst sabotieren

1. Kognitive Überlastung: Das Problem der „Password Fatigue“

Der durchschnittliche Nutzer verwaltet 70–100 Online-Konten. Komplexe Regeln („Mindestens 12 Zeichen mit Großbuchstaben, Zahlen und Sonderzeichen!“) überfordern das Arbeitsgedächtnis. Die Folge: Password Recycling.

  • Studie der Universität Princeton: 65 % der Nutzer verwenden dasselbe Passwort für mehrere Dienste.
  • Effekt der „kognitiven Sparsamkeit“: Unser Gehirn priorisiert einfache Lösungen, um Energie zu sparen.

2. Gewohnheit: Die Macht der Routine

Selbst nach Hacking-Vorfällen ändern nur 34 % der Betroffenen ihre Passwörter grundlegend. Gewohnheiten wie die Wiederverwendung von Passwörtern sind tief im Basalganglien verankert – dem Hirnareal für automatisierte Handlungen.

3. Fehlende Risikowahrnehmung: „Mich trifft es schon nicht“

Die Optimismusverzerrung („Optimism Bias“) lässt Menschen Gefahren unterschätzen. Eine Studie der TU München zeigt: 78 % glauben, ihre privaten Accounts seien für Hacker „nicht interessant genug“.


Studienbeispiele: Wie schnell Passwörter fallen

Kaspersky-Analyse zu Crackzeiten

  • „Passwort123“: Wird mit Brute-Force-Methoden in 2 Stunden geknackt.
  • „He4#l2mo“: Durch Sonderzeichen und Zufallszeichen dauert ein Crack 12 Tage.
  • Passphrase „IchLiebe3Hunde!“: Kombiniert Groß-/Kleinschreibung, Zahlen und Symbole – Crackzeit: 3 Jahre.

Problem: Selbst „komplexe“ Muster wie „P@ssw0rt“ sind unsicher, da Hacker solche Ersetzungen („@“ für „a“, „0“ für „o“) in Wörterbüchern berücksichtigen.


Lösungsansätze: Sicherheit ohne Gedächtnisstress

1. Passphrasen: Aus Sätzen werden starke Passwörter

Die Methode der merkbaren Sätze nutzt natürliche Sprache:

  • Beispielsatz: „Mein Hund Max jagt jeden Sonntag 5 Eichhörnchen!“
  • Umwandlung: MHMjS5E! (Erster Buchstabe jedes Worts + Zahl/Sonderzeichen).
  • Vorteil: Die Passphrase hat 10 Zeichen, ist aber leichter zu merken als „Xq2§$vBn9L“.

2. Password Manager: Digitale Schlüsselbunde

Tools wie Bitwarden (Open Source) oder 1Password (nutzerfreundlich) lösen zwei Probleme:

  • Generieren: Erstellen zufälliger, einzigartiger Passwörter (z. B. „dQw4w9WgXcQ“).
  • Speichern: Automatisches Ausfüllen über Browser-Erweiterungen.
  • Sicherheit: Master-Passwörter werden via AES-256 verschlüsselt.

Praxis-Tipp: Kombinieren Sie den Manager mit einer Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) – etwa einem Hardware-Key wie YubiKey.

3. Zwei-Faktor-Authentifizierung: Der Game-Changer

Auch wenn ein Passwort geknackt wird, blockiert 2FA den Zugriff:

  • TOTP (Time-Based One-Time Password): Apps wie Google Authenticator generieren Codes, die nur 30 Sekunden gültig sind.
  • FIDO2/WebAuthn: Phishing-resistente Lösungen mit physischen Tokens.

Unternehmensstrategien: Wie Firmen die Sicherheitskultur stärken

1. Schulungen mit Praxisbezug

  • Interactive Workshops: Mitarbeiter erstellen Passphrasen und testen sie auf Seiten wie „How Secure Is My Password?“.
  • Realitätschecks: Zeigen, wie schnell einfache Passwörter in Tools wie Hashcat geknackt werden.

2. Simulierte Phishing-Angriffe

Unternehmen wie KnowBe4 versenden fake Phishing-Mails, um Bewusstsein zu schärfen. Nutzer, die darauf hereinfallen, erhalten gezieltes Training.

3. Technische Richtlinien

  • Passwort-Richtlinien: Mindestlänge von 14 Zeichen, Verbot von Wiederverwendung.
  • Passwortwechsel nur bei Verdacht: Das BSI rät von regelmäßigem Zwangswechsel ab, da dies oft zu schwächeren Passwörtern führt.

4. Biometrie und Passwortlose Systeme

Innovative Ansätze wie Windows Hello oder Apple Face ID reduzieren die Abhängigkeit von Passwörtern. Für Hochsicherheitsbereiche eignen sich Single Sign-On (SSO)-Lösungen mit SAML-Integration.


Die Zukunft: KI und Verhaltensdesign

KI-Tools wie Dashlane Passwort Health analysieren die Sicherheit bestehender Logins und geben personalisierte Tipps. Gleichzeitig setzen UX-Designer auf „Nudging“ – kleine Stupser wie Sicherheits-Scores, die Nutzer zu besseren Entscheidungen motivieren.

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Jan Kunkel

Seit 2021 als ausgebildeter Systemintegrator tätig und auch neben dem Beruf viel in der digitalen Welt unterwegs.